Zurück zur Übersicht
21.03.2025

Rückblick auf die Ausstellung „Ausgeraubt vor der Deportation“ im Hamburger Rathaus

Blick in die Ausstellung "Ausgeraubt vor der Deportation" auf drei Tafeln. Eine Tafel trägt den Titel der Ausstellung, auf der vorderen Tafel ist ein Gesicht zu erkennen
Blick in die Ausstellung "Ausgeraubt vor der Deportation"

Vom 22. Januar bis 20. Februar 2025 zeigten wir im Hamburger Rathaus unsere neue Ausstellung „Ausgeraubt vor der Deportation. NS-Verfolgte im Fokus der Hamburger Finanzverwaltung“. Die Ausstellung und das dazugehörige Begleitprogramm waren überaus gut besucht.

Am 22. Januar haben wir im Hamburger Rathaus unsere neue Wanderausstellung „Ausgeraubt vor der Deportation. NS-Verfolgte im Fokus der Hamburger Finanzverwaltung“ eröffnet. Die Ausstellung präsentierte die Ergebnisse eines zweijährigen Forschungsprojekts über die Rolle der Hamburger Finanzverwaltung im Nationalsozialismus und die Beteiligung der Finanz- und Zollbeamten an der nationalsozialistischen Verfolgung, das die Hamburger Finanzbehörde in Auftrag gab.

Auf 36 Tafeln thematisiert die Ausstellung die staatlich betriebene Beraubung von Jüdinnen und Juden, Sinti*Sintize und Roma*Romnja im Nationalsozialismus. Schon der österreichische Schriftsteller und Auschwitzüberlebende H. G. Adler hatte in den 1970er Jahren konstatiert, dass der „Finanztod“ der NS-Verfolgten ihrer physischen Vernichtung vorausging. Denn noch bevor Züge der Deutschen Reichsbahn Deportierte aus Hamburg in Ghettos und Vernichtungslager transportierten, plünderte der NS-Staat die Verfolgten schrittweise aus. Dies galt für Jüdinnen und Juden wie auch für Sinti*ze und Rom*nja.

Hamburger Finanz- und Zollbeamte setzten die staatlichen Vorgaben für diese Beraubung unerbittlich um. Gezielt vernichteten sie die wirtschaftliche Existenz der Verfolgten und nahmen ihnen ihren Besitz. In öffentlichen Versteigerungen wurde ihr Hab und Gut „verwertet“. Den Gewinn strich die Staatskasse ein. Speditionen, Gerichtsvollzieher und Auktionshäuser sowie viele Unternehmen und Privatpersonen profitierten ebenfalls von diesem beispiellosen Raub, der zu einem der größten Einschnitte in den Eigentumsverhältnissen in der neueren deutschen Geschichte geführt hat.

Knapp 300 Personen wohnten der Eröffnung bei. Es sprachen zunächst die Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit, Finanzsenator Dr. Andreas Dressel und PD Dr. Jaromír Balcar, der die Ausstellung zusammen mit Lennart Onken und Alyn Šišić kuratiert hatte. Ein besonderer Höhepunkt waren die Reden von Ilse Neurath und Dr. Jean Freedberg die eindrücklich von der Verfolgung und Beraubung ihrer Familien Zeugnis ablegten.

Dr. Jean Freedberg war extra für die Ausstellungseröffnung aus den USA angereist. Ihre Urgroßmutter, Betty Levy, war 1940 zusammen mit ihrer Tochter Else über Hamburg nach Südafrika ausgewandert. Die Finanzverwaltung presste ihnen als Auswanderer*innen diverse Sonderabgaben, Steuern und Gebühren ab. Ihr Umzugsgut blieb im Hamburger Hafen zurück und wurde anschließend öffentlich versteigert.

Ilse Neuraths Großeltern Kurt und Lucie Moses betrieben in der Hamburger Neustadt die „Allgemeine-Bekleidungs-Centrale“. Das florierende Bekleidungsgeschäft war spätestens ab 1938 in den Fokus der Nationalsozialisten geraten. Die Hamburger Finanzverwaltung belegte es mit einer Sicherungsanordnung, mit der sie Kurt und Lucie Moses die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis für das Geschäft entzogen. Wenig später wurde das Geschäft „liquidiert“, also zwangsweise aufgelöst. Für Kurt und Lucie Moses war dies „nur“ der Auftakt für ihre weitere Verfolgung. Kurt Moses starb 1940 an den Folgen seiner Haft im KZ Sachsenhausen, Lucie Moses wurde 1941 deportiert und starb 1943 im Ghetto Litzmannstadt.

Die anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus von der Hamburgischen Bürgerschaft und der Finanzbehörde präsentierte Ausstellung stieß auf ein enormes Interesse in der Hamburger Stadtgesellschaft. Fast 11.000 Personen besuchten die Ausstellung, hunderte Kataloge wurden verkauft, nahezu alle Veranstaltungen des Begleitprogramms waren restlos ausgebucht.

Die Ausstellung steht fortan als Wanderausstellung zur Verfügung und kann ausgeliehen werden. Sie wird in den kommenden Monaten zunächst in mehreren Hamburger Finanzämtern gezeigt.

Online steht die Ausstellung nun in unserer Lernwerkstatt zur Verfügung.

Medienberichte (Auswahl):

VIDEO | "Ausgeraubt vor der Deportation": Ausstellung im Hamburger Rathaus - SAT.1 REGIONAL

Wie Hamburg sich an seinen jüdischen Mitbürgern bereicherte Hamburger Abendblatt

Drei Personen vor einer Ausstellungstafel, eine Person deutet auf ein Detail auf der Tafel
Dr. Jean Freedberg mit Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und Finanzsenator Dr. Andreas Dressel