Projektraum im ehemaligen Kommandantenhaus
Das Kommandantenhaus in der Lagerzeit
Erst Ende 1943/Anfang 1944 ließ Lagerkommandant Max Pauly ein Wohnhaus für sich auf dem Gelände des KZ Neuengamme bauen. Seine Familie lebte da noch in der Nähe seines vorherigen Dienstortes, das KZ Stutthof bei Danzig, in Adlershorst (Gdynia-Orłowo). Das neue Domizil in Neuengamme wurde – verglichen mit den Villen anderer Lagerkommandanten zum Beispiel im KZ Sachsenhausen – ein eher kleines, schlichtes Haus, ca. 150 m östlich hinter dem Gebäudekomplex der SS-Verwaltung / des SS-Lagers.
Heute wirkt es wie eine ruhige Idylle im Grünen, damals war das Haus umgeben von Tongruben, SS-Lager und Hundezwingern. Dazwischen lag der durch eine Hecke abgegrenzte Garten mit Blumenbeeten, Apfelbaum und Rasen, mittendrin das Haus. Der Keller – mit Weinregal und Zentralheizung – war gemauert, die Außenwände bestanden aus Barackenelementen, die innen verstärkt worden sind, abgedeckt mit einem soliden, mit Dachpfannen gedeckten Satteldach. Fünf kleine Räume, Küche und Bad gab es. Nur von Januar bis April 1945 lebte der mittlerweile verwitwete Pauly zusammen mit seinen fünf Kindern und einer Schwägerin, die die Kinder betreute, in dem Haus. Bis dahin hatte er das Haus überwiegend allein genutzt.
Die Nachnutzung nach 1945
Nach Kriegsende bewohnte der Kommandant des britischen Internierungslagers das Haus, nach Übergabe des Geländes an die Justizbehörde zog der erste Leiter des neu eingerichteten Männergefängnisses, Fritz Schütt, mit seiner Familie ein. Etwa 40 Jahre lang lebten Gefängnismitarbeiter in dem Haus, bis es nach der Übergabe an die Gedenkstätte im Jahr 2001 saniert und soweit wie möglich in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt worden ist. Das Parkett, die Fenster, einige Heizkörper, das Weinregal im Keller und vor allem die Raumaufteilung stammen noch aus der Entstehungszeit, auch wenn einige zugemauerte Zwischentüren den Grundriss verändert haben.
2001 wurde das Haus dem Freundeskreis der KZ-Gedenkstätte zur Verfügung gestellt, der ein Büro einrichtete und von dort aus bis 2013 das vom Hamburger Senat finanzierte Besuchsprogramm für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter organisiert hat. Mit dem Hamburger Besuchsprogramm kamen etwa 400 ehemalige Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlinge aus der Ukraine, Belarus, den baltischen Ländern und aus Polen zu Gedenkfahrten nach Hamburg. Sie brachten Gastgeschenke mit, die sie dem Freundeskreis übergaben. Die Mitarbeiter*innen nahmen einige dieser Geschenke mit nach Hause, andere blieben im Kommandantenhaus, auch nachdem das Büro des Freundeskreises mit Abschluss des Programms wieder geschlossen wurde.
Öffnung als Projektraum
2022 hatte die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte die Möglichkeit, ein Stipendium für die Aufarbeitung der Sammlung Gastgeschenke zu vergeben: Evelina Rudenko von der Organisation Memorial Moskau International (heute Memorial Zukunft) rekonstruierte Lebensgeschichten hinter den Mitbringseln. 2023 kamen andere Projekte aus weiteren Förderprogrammen zum Thema „NS-Verfolgte aus dem östlichen Europa“ hinzu. Dafür wurde das Kommandantenhaus einmal im Monat als Projektraum geöffnet: Gezeigt wurden Zeichnungen zu Erinnerungsberichten von Häftlingen des KZ-Neuengamme aus der Ukraine, kuratiert von Svitlana Telukha, und das Filmprojekt „Photography for a Forced Laborer“ zu Fotografien von ehemaligen Zwangsarbeiter*innen im Archiv der Gedenkstätte, kuratiert von Natalia Kataeva. Die Stipendiat*innen und Mitarbeiter*innen der Gedenkstätte sowie Ehrenamtliche des Arbeitskreises Kirchliche Gedenkstättenarbeit boten kurze Rundgänge an und gaben Informationen zur Bau- und Nutzungsgeschichte.
2024 wird der Projektraum von April bis Oktober einmal im Monat und auf Nachfrage öffnen:
- 27.4.2024, 18-21 Uhr
- 19.5.2024, 12-16 Uhr
- 23.6.2024, 12-16 Uhr
- 25.8.2024, 12-16 Uhr
- 8.9.2024, 12-16 Uhr
- 31.10.2024, 12-16 Uhr
Ermöglicht wurden die Projekte durch die Förderprogramme „Memory Work“ der Bundesstiftung Aufarbeitung, das Förderprogramm „Art Connects“ der Hamburgischen Kulturstiftung und die Liebelt-Stiftung Hamburg.
Text: Alexandra Köhring, Hanno Billerbeck