Gedenkzeichen zu Völkermord an Sinti und Roma aus Norddeutschland während der NS-Zeit eingeweiht

Am 16. Mai 1940 verhafteten Polizeibeamte etwa 1000 Sinti und Roma in Hamburg und Norddeutschland, sperrten sie in den Fruchtschuppen C im Hamburger Freihafen und verschleppten sie am 20. Mai 1940 in das Zwangsarbeitslager Belzec im deutsch besetzten Polen. Am 11. März und am 18. April 1944 wurden weitere 300 Frauen, Männer und Kinder der Minderheit in zwei weiteren Deportationen nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Ein Großteil der Menschen wurde in den darauffolgenden Jahren ermordet.
85 Jahre später wird in Hamburg jetzt daran öffentlich erinnert: Vertreterinnen und Vertreter des Landesvereins der Sinti in Hamburg e.V. und der Rom und Cinti Union e.V. sowie der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte enthüllten gemeinsam mit Hamburgs Senator für Kultur und Medien das denk.mal Fruchtschuppen C im Überseequartier der HafenCity. Über 250 Gäste hatten sich zur Einweihung versammelt. Nach eindringlichen Worten von Kultursenator Carsten Brosda folgten berührende als auch kämpferische Ansprachen von Arnold Weiß (Landesverein der Sinti in Hamburg e.V.) und Rudko Kawczynski (Rom und Cinti Union), bevor Gina Knudsen aus dem Erinnerungsbericht des Überlebenden Rigoletto Weiß las. Dankesworte sprachen der Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, Oliver von Wrochem, und Kristina Vagt vom Projektteam Dokumentationszentrum denk.mal Hannoverscher Bahnhof. Die Eröffnung wurde musikalisch begleitet vom Manusch Weiss´ Gypsy Quintett. Nachdem das Mahnmal feierlich enthüllt worden war, wurde gemeinsam der Weg zum Gedenkort denk.mal Hannoverscher Bahnhof gegangen für eine feierlich Gedenkzeremonie.
Arnold Weiß, Landesverein der Sinti in Hamburg e.V. sagte: „Der Landesverein der Sinti in Hamburg begrüßt es sehr, dass nach langem Vorlauf neben dem Gedenkort am ehemaligen Hannoverschen Bahnhof nun am Magdeburger Hafen sichtbar und dauerhaft an die Deportation und Ermordung der Sinti und Roma erinnert wird.“ Rudko Kawczynski, Rom und Cinti Union e.V. ergänzt: „Jahrzehntelang war ihr Schicksal vergessen. Erst eine neue Generation stellte Fragen nach den Hunderten Hamburger Sinti und Roma, die im Fruchtschuppen C in der Nähe des damaligen Hannoverschen Bahnhofs zusammengepfercht und später deportiert wurden. Sie kämpfte dafür, dass dieser Ort nicht länger eine Leerstelle blieb. Das Denkmal erinnert an die Opfer und mahnt zugleich: Antiziganismus und Diskriminierung existieren bis heute. Erinnerung ist Verpflichtung – hinzusehen, nicht zu schweigen und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.“
Das denk.mal Fruchtschuppen C liegt im heutigen Überseequartier an der Promenade der New-Orleans-Straße in der HafenCity. In der neu angelegten Baumreihe entlang der Promenade wurde ein Baum bewusst ausgelassen. Stattdessen schiebt sich das Gedenkzeichen den Passierenden in den Weg.
Auf den Außenflächen der sechs Betonstelen sind schemenhaft die Silhouetten von Menschen zu erkennen: Frauen, Männer und Kinder. Der Schriftzug „Fruchtschuppen C“ verweist auf den verschwundenen historischen Ort: Von 1911 bis 1949 stand hier ein großes Gebäude zur Lagerung von Südfrüchten. Der Fruchtschuppen C wurde 1949 abgerissen, das Areal wurde in den 1950er Jahren überbaut. Im Inneren informiert das Gedenkzeichen über die Verfolgung und die Deportationen der Sinti und Roma aus dem norddeutschen Raum. In die Stelen sind Texte, Bilder, Zitate und Biografien von Verfolgten eingelassen.
Das Gedenkzeichen ergänzt den bestehenden Gedenkort denk.mal Hannoverscher Bahnhof, der seit 2017 an die Deportationen von Juden, Sinti und Roma erinnert. Von dem heute ebenfalls verschwundenen damaligen Güterbahnhof wurden in 20 Transporten mehr als 8.000 Juden, Sinti und Roma aus Hamburg und Norddeutschland in das Zwangsarbeitslager Belzec, die Ghettos Litzmannstadt/Lodz, Minsk, Riga und Theresienstadt und in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt. Nur wenige von ihnen überlebten.
Praktische Informationen
denk.mal Fruchtschuppen C
New-Orleans-Straße 6
Nähe Westfield Hamburg-Überseequartier
20457 Hamburg
Der Gedenkort ist rund um die Uhr kostenfrei öffentlich zugänglich.
Bericht des NDR: Neues Gedenkzeichen für Sinti und Roma



