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01.09.2020

Für Demokratie und kulturelle Vielfalt in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit an Museen und Erinnerungsorten

Foto: Assoziativer Bildeinstieg. Foto: KZ-Gedenkstätte Neuengamme, 2014.
Assoziativer Bildeinstieg.

Die demokratischen Grundlagen unserer Gesellschaft werden zunehmend in Frage gestellt. Diskriminierende, rassistische und antidemokratische Einstellungen und Aktivitäten treffen Museen und Erinnerungsorte. Alle Museen, nicht nur Gedenkstätten oder Jüdische Museen, sind vor allem in ihrer Bildungs- und Vermittlungsarbeit der Einflussnahme ausgesetzt. Der Bundesverband Museumspädagogik e.V. und der AK Gedenkstättenpädagogik stehen für ein respektvolles Miteinander und einen solidarischen Zusammenhalt.

Sie fordern Museen und Erinnerungsorte dazu auf, sich aktiv für eine offene und plurale Gesellschaft einzusetzen und Besucher*innen wie Mitarbeiter*innen in einer freiheitlich-demokratischen Haltung zu stärken. Damit verbunden ist ein dringender Appell an die Akteur*innen in Politik und Zivilgesellschaft, Museen als Orte demokratischer Aushandlungsprozesse zu stärken. 

Gerade der »Kulturkampf von rechts« zielt darauf, Kulturgut und Institutionen zu vereinnahmen und zu instrumentalisieren. Er stellt sich einer kritischen Kultur- und Geschichtsarbeit sowie der Freiheit von Kunst und Wissenschaft entgegen. Die antidemokratischen Bestrebungen fordern Museen und Erinnerungsorte auf mehreren Ebenen heraus: So werden durch politische Einflussnahme und weite­re Aktivitäten z.B. Ausstellungspläne, Themensetzungen sowie Budgets in Frage gestellt. Zudem werden Zermürbungsprozesse gestartet und Ansprüche auf Plätze in Stiftungsräten erhoben. Selbst Angehörige der Institution sowie selbständig und ehrenamtlich tätige Vermittler*innen positionieren sich in der Bildungs- und Vermittlungsarbeit bisweilen mit rechtem oder parteipolitischem Gedan­kengut. Auch Besucher*innen äußern sich diskriminierend, Gruppierungen provozieren und stören bei gezielten Besuchen. Sie instrumentalisieren die Einrichtungen für ihre antidemokratischen Aktivitäten und Narrative, insbesondere in sozialen Medien. Zudem wird versucht, Mitarbeiter*innen durch Hassmails oder Drohungen einzuschüchtern.

Museen und Erinnerungsorte stehen mit ihrer Bildungs- und Vermittlungsarbeit in einer gesell­schaftlichen Verantwortung. Durch eine kritische und multiperspektivische Auseinandersetzung mit (kultur-)historischen Inhalten gilt es, insbesondere die Urteilskompetenz der Besucher*innen zu fördern. Museen und Erinnerungsorte sind aufgefordert, Diskurse über Geschichtsbilder, kulturelle Identitäten und Zugehörigkeiten, über Menschenrechte und respektvolle Umgangsformen zu initiieren und produktiv zu gestalten. Sie legen ihrer Arbeit das Kontroversitätsgebot und das Prinzip der Über­parteilichkeit zugrunde und leisten ihren Beitrag, das demokratische und plurale Zusammenleben zu stärken. Dieser Prozess schließt immer die Achtung der Menschenwürde und Menschenrechte sowie der demokratischen Grundwerte ein und muss seine Grenzen finden, wo dies nicht geschieht. Besonders Gedenkstätten haben auch die Aufgabe, für die Würde historischer Opfer gegenüber Geschichtsrevisionismus einzutreten.

Wie kann dies gelingen und was ist hierzu notwendig?

  • Die Bildungs- und Vermittlungsarbeit bedarf einer klaren Positionierung des eigenen Hauses für Demokratie und Menschenwürde. Notwendig ist eine transparente Rahmensetzung z.B. im Leitbild oder in der Besuchsordnung, die auch strukturelle und rechtliche Belange berücksichtigt.
  • Vermittler*innen und andere Mitarbeiter*innen sind darin zu unterstützen, sich voraus­schauend und präventiv die entsprechende Professionalität anzueignen und ihre Handlungs­sicherheit zu stärken. Hierzu gehört unter anderem die Kenntnis rechtlicher Befugnisse, aber auch ein gemeinsam abgestimmtes Vorgehen für den Fall konkreter Vorkommnisse.
  • Im gesamten Haus gilt es, sich der eigenen Vorurteile und Privilegien bewusst zu werden und diskriminierungskritische Kompetenzen zu fördern. Gesellschaftliche Vielfalt ist auch in Museen zu leben, ein wichtiger Schritt ist die Diversität im Team.
  • Durch Vernetzung und Austausch stärken Museen und Erinnerungsorte sich gegenseitig, externe Fachleute können durch professionelle Impulse und Beratung unterstützen. Sie arbeiten mit pluralen Parteien und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zusammen, die sich gegen Diskriminierung wenden oder Bündnisse hierzu bilden. Dazu zählen z.B. auch Beratungsstellen von Opfern rechter Gewalt und Vertretungen von Opfergruppen.

Museen und Erinnerungsorte stehen in der Pflicht, nicht nur zu reagieren, sondern aktiv zu handeln. Die Dimensionen sind vielfältig: Sie können beispielsweise Themen setzen, Diskurse transparent machen und die Stimmen vieler einbeziehen – mit Ausstellungen oder Objektpräsentationen ebenso wie in der personalen Vermittlung. Ihre Arbeit muss wissenschaftlichen und pädagogischen Maßgaben entsprechen und unabhängig von politischen Interessen und Einflussnahmen realisiert werden können.

gez. August 2020

Bundesverband Museumspädagogik e.V. und Arbeitskreis Gedenkstättenpädagogik

Positionspapier als pdf