Erinnerung an die Eröffnung des KZ Fuhlsbüttel vor 90 Jahren
Eröffnung des KZ Fuhlsbüttel
„Als bewusste Feinde des nationalsozialistischen Staates (werden Sie) mit dem heutigen Tage nach einer neuen Schutzhaftordnung behandelt. Diejenigen von Ihnen, die sich besonders aufsässig und ungehörig aufgeführt haben, sitzen in Einzelhaft. Sie (erhalten) nur jeden dritten Tag warmes Essen und weiches Nachtlager. Über die besonders aufrührerischen unter ihnen wird der Dunkelarrest verhängt.“ Mit einem Auszug aus der Rede, die die im Hof der Strafanstalten Fuhlsbüttel angetretenen Häftlinge des neuen KZ Fuhlsbüttel am 4. September 1933 über sich ergehen lassen mussten, begann die Lesung zur Erinnerung an die Eröffnung des KZ Fuhlsbüttel vor 90 Jahren im Bezirksamt Hamburg-Nord.
Das »Kola-Fu«
Bereits wenige Wochen nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten hatte die Hamburger Staatspolizei kommunistische und sozialdemokratische Regimegegner*innen in die Fuhlsbüttler Strafanstalten eingewiesen. Am 4. September 1933 wurde in Gebäuden der Strafanstalt das Konzentrationslager Fuhlsbüttel eröffnet. Für Leitung und Bewachung waren SS- und SA- Angehörige zuständig. Das im zeitgenössischen Sprachgebrauch als »Kola-Fu« bezeichnete KZ Fuhlsbüttel wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem Inbegriff für Grauen, Leiden und Sterben.
Ab 1936 wurde das KZ Fuhlsbüttel als Polizeigefängnis weitergeführt. Von Oktober 1944 bis Februar 1945 nutzte die SS einen Gebäudeteil als Außenlager des KZ Neuengamme. Nahezu alle verhafteten Hamburger Widerstandskämpfer*innen kamen in das »Kola-Fu«, ebenso wie Zeugen Jehovas und Juden und Jüdinnen, mit dem Regime Unzufriedene, Swing-Jugendliche und Menschen, die die Nationalsozialisten als »Asoziale« und »Berufsverbrecher« verfolgten. Während des Krieges waren auch viele ausländische Widerstandskämpfer*innen und Zwangsarbeiter*nnen im »Kola-Fu« inhaftiert. Bis zur Befreiung im Mai 1945 kamen dort über 200 Frauen und Männer ums Leben – sie starben an den Folgen der Misshandlungen, wurden ermordet oder in den Tod getrieben.
Veranstaltung zur Erinnerung an die Eröffnung des KZ Fuhlsbüttel vor 90 Jahren
Die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte lud anlässlich des 90. Jahrestags der Eröffnung des „Kolafu“ zu einer Lesung in Kooperation mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA) und dem Arbeitskreis ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten (AvS) sowie der Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt e.V. ein.
Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz, der gemeinsam mit der Vorsitzenden der Bezirksversammlung Isabel Permien Gastgeber der Kooperationsveranstaltung war, erinnerte in seiner Eröffnungsrede an die große Bedeutung des KZ Fuhlsbüttel für die Durchsetzung der Nazi-Herrschaft in Hamburg. Er würdigte in seiner Rede das große Engagement der Verfolgtenverbände, die in der Gedenkstätte Fuhlsbüttel seit über 30 Jahren jeden Sonntag ehrenamtlich Führungen anbieten.
Alyn Šišić, Leiterin der Gedenkstätte, betonte in ihrer Begrüßung die Bedeutung der Erinnerung an die Verfolgten, gerade angesichts der aktuellen Bedrohung durch den massiven Anstieg rechter und rechtsextremer Tendenzen. Nicht nur der Anschlag auf die Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten, auch die Zunahme extrem rechter Kommentare in den Sozialen Medien betreffen auch die Arbeit der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte.
Für die Lesung wurden Texte aus Flugblättern, Gedichten, Haftbriefen, Autobiographien, Romanen und Interviews von Ina Twest und Jan Kampmann (beide ISDF-Schauspielschule) szenisch aufbereitet und ausgesprochen eindrücklich vorgetragen. Die ehemaligen KZ-Häftlinge, die diese Texte verfasst hatten, wurden von den Kooperationspartner*innen eingangs im Wechsel vorgestellt. Dabei kamen auch ganz persönliche Erinnerungen an die Verfolgten zur Sprache.
So erinnerte sich Christiane Chodinski (VVN/BdA) an Begegnungen mit Gerda Ahrens, die nie ohne ihre riesige Handtasche anzutreffen war, in der sie gesammelte Unterlagen zur Verfolgungsgeschichte ihres im Nationalsozialismus ums Leben gebrachten Mannes stets griffbereit mit sich herumtrug – immer auf der Suche nach neuen Beweisen für das ihm widerfahrene Unrecht.
Wolfgang Kopitzsch (AvS) berichtete von dem Wirken Walter Schmedemanns. Als dieser 1948 nach einem Unvereinbarkeitsbeschluss der SPD aus der VVN habe austreten müssen, habe er immer versucht, hinter den Kulissen weiter mit der VVN in Verbindung zu bleiben. Er hätte, so schloss Kopitzsch, sich über die gelungene Kooperationsveranstaltung sehr gefreut.