Bericht von der 18. Außenlager-Tagung
In diesem Jahr fand die 18. „Außenlager-Tagung“ in Kooperation mit der Gedenk- und Dokumentationsstätte KZ Drütte am 6. und 7. Oktober 2023 in Salzgitter, Braunschweig und Schandelah statt.
Im ersten Panel setzten sich die 46 Teilnehmenden damit auseinander, welche Herausforderungen für Gedenkinitiativen bestehen, wenn historische Orte sich in Privatbesitz befinden. Passenderweise begrüßten der Betriebsratsvorsitzende der Salzgitter Flachstahl GmbH, Hasan Cakir, und ihr Arbeitsdirektor, Jens Loock, die Tagungsteilnehmenden. Wie Maike Weth (Gedenk- und Dokumentationsstätte KZ Drütte) erläuterte, hatte der 1982 gegründete Arbeitskreis Stadtgeschichte anfänglich große Schwierigkeiten, einen angemessenen Gedenkort auf dem Betriebsgelände der Salzgitter Flachstahl GmbH zu errichten – erst das persönliche Engagement zweier jeweils neugewählter Betriebsratsvorsitzender 1992 und 2007 führte zu Erfolg. Mit betrieblicher Unterstützung und institutioneller Förderung konnte schließlich 2022 die Dauerausstellung „KZ-Häftlinge in der Rüstungsproduktion“ realisiert werden, durch die Teri Arias und Julia Braune die Tagungsteilnehmenden zuvor geführt hatten.
Anschließend sprach Jon Kornell, der die 2017 gegründete Initiative Dessauer Ufer (IDU) vertrat und vorstellte, von den Problemen, das Lagerhaus G, in dem sich 1944 ein Außenlager von Neuengamme befand, in einen offenen und inklusiven Gedenkort umzugestalten. Als problematisch bezeichnete er die lange öffentlich intransparenten Eigentumsverhältnisse und den fehlenden direkten Austauch mit den Eigentümer*innen, darunter der Lagerhaus G Heritage Foundation. Die Stiftung hat inzwischen ein eigenes Gedenkkonzept entwickelt, nach dem das Lagerhaus G teils als Begegnungsstätte und teils kommerziell genutzt werden soll (https://lagerhausg.org/). Thema der Diskussion, die von Christian Römmer (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) moderiert wurde, waren entsprechend vor allem die möglichen Gründe für die Schwierigkeiten, mit den Eigentümer*innen des Lagerhauses G in einen konstruktiven Austausch zu treten.
Im zweiten, von Karin Heddinga (SHGL) moderierten Panel wurden zwei Ausstellungsprojekte vorgestellt. Zuerst beschrieb Dr. Simone Erpel (KZ-Gedenkstätte Engerhafe) die Entwicklung der neuen Ausstellung, die voraussichtlich im Februar 2024 eröffnet wird. Danach skizzierte Dr. Reimer Möller (ehem. KZ-Gedenkstätte Neuengamme) verschiedene Ideen, wie die Cap-Arcona-Ausstellung in Neustadt/Holstein neugestaltet werden könnte. Eine 2022 beschlossene großzügige Anschubfinanzierung des Bundestages hat dazu geführt, dass nun eine zeitgemäße Ausstellung mit 400qm Ausstellungsfläche angestrebt wird. In der anschließenden Diskussion wurde unter anderem betont, dass die Morde am Strand von Pelzerhaken in der Ausstellung angemessen behandelt werden müssten, da es sich dabei um das zweitgrößte Endphasenverbrechen in Norddeutschland handele.
Der zweite Tagungstag begann mit einem Panel zu multiperspektivischen und partizipativen Ansätzen in der Gedenkstättenarbeit. Wie Moderatorin Ulrike Jensen (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) betonte, kommen diese in vielen Gedenkstätten bisher nur wenig zum Tragen, seien aber wichtig, um möglichst alle Menschen anzusprechen. Im ersten Vortrag stellte Clara Wahl (Philipps-Universität Marburg) die Ergebnisse ihrer Abschlussarbeit zu der Frage vor, welchen Einfluss multidirektionale Erinnerung auf deutsche KZ-Gedenkstätten hat. Mithilfe von qualitativen Interviews widerlegte sie die These, dass die Annahme der Singularität der Shoah multidirektionale Bezüge verhindere, und identifizierte vor allem externe Bedingungen wie z.B. Finanzierungsprobleme von Projekten als hemmende Faktoren. Im Anschluss stellte Dr. Susann Lewerenz (KZ-Gedenkstätte Neuengamme) ein 2021/22 mit einer Gruppe von Menschen mit ost- bzw. mitteleuropäischer Migrations- oder Familiengeschichte durchgeführtes multiperspektivisches und partizipatives Projekt vor. Sie beschrieb dabei Möglichkeiten, wie partizipatives Arbeiten in Zukunft die Gedenkstättenarbeit bereichern könnte, indem es diese stärker auf die plurale Gesellschaft ausrichtet. In der nachfolgenden Diskussion sprachen die Teilnehmer*innen unter anderem darüber, inwieweit in partizipativen Projekten die Gefahr besteht, statt differenzierter Bezugnahmen ungerechtfertigten Gleichsetzungen Vorschub zu leisten oder auch die deutsche Verantwortung für die NS-Verbrechen zu relativieren. Abschließend tauschten sich die Teilnehmenden über weitere bereits durchgeführte partizipative Projekte aus.
Die Tagung endete am Samstagnachmittag mit Exkursionen zur Gedenkstätte KZ-Außenlager Braunschweig-Schillstraße, deren Geschichte und Arbeit von Gerald Hartwig erläutert wurde, sowie zur Gedenkstätte KZ-Außenlager Schandelah-Wohld, über deren Gelände Diethelm Krause-Hotopp führte.
Bericht: Florin Maletz.